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30 Entscheidungsträger der Baubranche
im Gespräch zu jeweils 10 Fragen.

IM GESPRÄCH MIT OLAF KITZIG,
FOUNDER & CEO,
KITZIG INTERIOR DESIGN GMBH


GROHE: Wie haben Sie die letzten Monate der Corona-Krise als Unternehmer und Privatperson erlebt?

Olaf Kitzig: Corona war wie eine Zwangspause, die verheerende Ausmaße annimmt und deren Konsequenzen aus heutiger Sicht noch lange nicht zu erkennen sind. Nach vielen Jahren starken Wirtschaftswachstums kam dieser Shutdown für alle überraschend, von heute auf Morgen ging gar nichts mehr.


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Keiner weiß, wann die Normalität in unser Berufsleben, in unser Arbeitsumfeld und in unseren privaten Bereich zurückkehrt. Für uns als Firma und mich als Privatperson war die Pandemie bislang das schwierigste und größte Problem und die wohl heftigste Krise überhaupt. Als klar war, dass der Lockdown kommt, arbeitete es permanent in mir und ich überlegte, wie ich meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen halten kann und wie wir Geschäft neu interpretieren und generieren können. Seit 1998 sind wir mit dem Büro am Markt, wir haben bereits die ein oder andere Krise hinter uns gebracht. So etwas wie die Pandemie hat allerdings noch keiner von uns erlebt, keiner konnte sie einschätzen, und deshalb hat der Markt so reagiert. Uns als Kitzig Interior Design mit ungefähr 70 prozentigem Anteil unseres Schaffens für Hotellerie und Food und Beverage und gut 30 Prozent für Retail und Office hat es natürlich relativ heftig erwischt. Dieses Jahr haben wir noch keine Probleme, die Auftragsbücher sind voll und wir arbeiten sehr intensiv und sehr ausgefallen mit dem Tool der Kurzarbeit. Laufende Projekte laufen zum größten Teil weiter, es sei denn, es sind Projekte, bei denen es vorteilhafter ist, den Bau zu stoppen. Momentan herrscht verständlicherweise eine unglaubliche Unsicherheit im Markt. Von daher ist es derzeit sehr schwierig, Geschäfte zu generieren. Wir haben gerade das ein oder andere Hotelprojekt, das nicht weiterverfolgt wird. Alle Projekte vor Leistungsphase 4, also vor Bauantrag, sind Projekte, bei denen wir eine Absprungrate von ungefähr 40 Prozent haben.

GROHE: Gibt es auch etwas Positives, was Sie aus der Situation ziehen konnten?

Olaf Kitzig: Eine der positiven Seiten der Krise war und ist, dass man viel mehr Zeit mit seiner Familie verbringen konnte, die man sonst nicht gehabt hätte. Unser in Teilen überaus schnelles Leben ist ineinander gebrochen und von einem auf den anderen Tag auf Null gesetzt worden. Diese Zeit bot Platz zum Reflektieren und die Möglichkeit, seine berufliche und private Lebenssituation einmal von außen zu betrachten, was durchaus horizonterweiternd war. Durch die fehlende und immer noch sehr eingeschränkte Reisemöglichkeit hat sich auch die Möglichkeit für intensive und lange Gespräche mit Mitarbeitern ergeben. Wir haben das Unternehmen gemeinsam aus der Metaebene angeschaut und überlegt, ob gewohnte Arbeits- und Vorgehensweisen immer noch gut sind, haben also Dinge beleuchtet, was wir ohne den Zwangsstopp sicherlich nicht getan hätten. Dabei sind viele positive Dinge herausgekommen. Wir haben uns beispielsweise noch stärker mit regionalen Materialien auseinandergesetzt und hinterfragt, wie man die jeweiligen Regionen besser einbinden kann. Die interne Kommunikation ist bei uns viel effizienter geworden als vor der Pandemie und hat viel Bewegung gebracht.

Ich habe immer gehofft, dass Menschen in Problemsituationen eher zusammenrücken. Im Gegensatz zu vielen anderen sehe ich das eigentlich eher gegenteilig. Dennoch hoffe ich nach wie vor, dass mehr Solidarität untereinander entsteht und nicht die Ellenbogengesellschaft und das übergroße Ego Thema der Einzelpersonen überhandnimmt. Es muss doch nun wirklich dem Letzten klargeworden sein, dass wir in einer globalisierten Welt leben und zusammenhängen. Das bedeutet, wenn in China etwas passiert, tangiert mich das auch hier in Ostwestfalen-Lippe.

GROHE: Erklärt sich die hohe Absprungrate in Ihren Projekten aus finanziellen Gründen oder eher wegen der Unsicherheit, überhaupt noch das Richtige zu tun?

Olaf Kitzig: Ich denke, es sind weniger finanzielle Argumente, ein Projekt nicht mehr weiterzuverfolgen, denn Geld im Markt ist noch vorhanden. Es ist vielmehr die vorherrschende Unsicherheit, keiner weiß, ob er sein Geschäft nochmals so generieren kann und ob die Planzahlen, mit denen man in 2019 gerechnet hat, in 2021 noch realistisch sind. In meinem Unternehmen justieren wir uns einmal in der Woche neu. Das bedeutet, dass das, was man montags als positive Nachricht erhält, nicht unbedingt bis Freitag eine Halbwertszeit haben muss. Wir haben in den letzten Wochen einen sehr intensiven Austausch mit tollen Unternehmen geführt und fühlen uns durch das gemeinsame Corona Problem solidarisch verbunden. Uns allen sind gleichermaßen die Hände gebunden, keiner weiß momentan, wo und wie er richtig agiert, jeder kann nur spekulieren. Das betrifft natürlich auch mein Unternehmen mit ca. 80 Mitarbeitern an den Standorten Lippstadt, Bochum, Düsseldorf und München. Neben den Kitzig Design Studios unterhalten wir noch eine Corporate Design Kommunikationsagentur, Kitzig Identities und Kitzig Details und Kitzig Interior Design. Wir überlegen natürlich auch, wo die Marktentwicklung hingeht und wie hart es uns nächstes Jahr womöglich erwischen könnte. Ich vermute, dass die Spätfolgen des Ausschaltens der weltweiten Wirtschaft Probleme mit sich bringen wird, die wir heute noch nicht abschätzen können. Es gibt viele positive, aber leider auch genauso viel unglaublich traurige Signale. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass es weitergeht. Wir nehmen gerade an Fahrt auf, sind aber noch lange von dem Tempo der Zeit vor Corona entfernt. Das liegt u.a. auch daran, dass wir wegen verzögerter Lieferketten und damit enormen Lieferzeiten – wir beziehen unsere Werkstoffe weltweit – teilweise nicht mehr fristgerecht arbeiten können.

GROHE: Es gibt Menschen, die behaupten, wir befinden uns durch die Krise an einer Weggabelung der Menschheitsgeschichte. Würden Sie dem zustimmen?

Olaf Kitzig: Nein, ganz und gar nicht, da der Mensch aus seinen Fehlern nicht lernt. Wir müssen uns nur die politische Situation weltweit anschauen, da gibt es viele Szenarien, die wir kennen und erlebt, aus denen wir aber leider nicht gelernt haben. Eine Gabelung, also das Finden eines neuen Weges, mit uns und der Welt umzugehen, entspräche einer Traumwelt. Ich würde mich freuen, wenn ich Unrecht habe, aber ich kann es mir nicht vorstellen. Um ein Beispiel zu nennen: Es gab den nachträglichen Shutdown in Kreis Gütersloh.

Ich lebe in Kreis Soest, der an den Kreis Gütersloh angrenzt. Anstatt zu sagen, das ist so schrecklich, was denen dort passiert ist, anstatt den Menschen aus dem Kreis zu helfen und sie zu stärken, werden sie beschimpft und alle Autos mit Gütersloher Kennzeichen zerkratzt. Es ist also genau das Gegenteil passiert. Menschen werden denunziert, verachtet und mit Ausgrenzung bestraft, nur weil sie aus dem Kreis Gütersloh kommen und das in Deutschland! Kein Mensch auf der Welt, so sehe ich das auf jeden Fall, hat diesen Virus initiiert. Der Gütersloher Fall erinnert mich an eine Zeit, die ich Gott sei Dank nicht erlebt habe.

GROHE: Auf Ihrer Webseite ist zu lesen, dass Ihre Entwürfe den Menschen und Ihren Anforderungen genügen sollen. Haben wir in der Architektur den Blick auf den Menschen und seine Bedürfnisse – zumindest zum Teil – verloren? Die Effizienz der Gebäude, ihre Zertifizierung und ihre Vermarktbarkeit scheinen oft im Vordergrund zu stehen. Eröffnet Corona jetzt die Möglichkeit, den Menschen wieder in das Zentrum der Überlegung zu stellen?

Olaf Kitzig: Gute Architektur sollte für den Menschen gemacht werden. Die neuen Anforderungen durch Social Distancing und durch Corona insgesamt werden einen großen Ruck durch die Welt der Gastronomie, Hotellerie und Büros geben. Auch das private Haus bzw. die private Wohnung wird sich verändern, weil der Mensch sich stärker mit seinem Wohnen auseinandergesetzt hat. Es hat eine Sensibilisierung des Umfeldes stattgefunden. Ich persönlich muss allerdings sagen, dass bis auf einige, vielleicht nicht so gelungene Beispiele, die Architektur und vor allen Dingen die Innenarchitektur in den letzten Jahren wesentlich stärker auf den einzelnen Menschen und auf die Gruppen der Benutzer eingegangen ist, als das in der Vergangenheit der Fall war. Es hat durchaus ein Umdenken stattgefunden. Ich bin ein großer Freund der Innenarchitektur, weil das Interior Design immer eine Reflexion der Gesellschaft ist. Also im Rococo hat man so gelebt, wie man eben im Rococo gelebt hat. Deswegen gab es den Rococo oder den Baroque. Wir leben jetzt schon ewig in der Neuzeit, ohne dass wir einen Stil als solchen haben, weil wir den Namen der einzelnen Baustile immer in der Retrospektive gegeben haben. Wir beobachten starke Umbrüche und auf den Menschen zugeschnittene Lösungen mit hoher Aufenthaltsqualität, die zunehmend warm und nicht nur funktional sind.

Verkehrsflächen können durchaus auch Flächen sein, die ein Gebäude entschleunigen, indem man ihnen gleichzeitig noch eine Gestaltung zufügt und an denen der Besucher, der Bewohner oder der Gast partizipiert. Ich glaube, in dem Bereich passiert einiges. Ich kenne sehr viele, sehr positive Beispiele, wo sich die Innenarchitektur auf den User eingestellt hat. Wir starten beispielsweise ein Konzept immer mit einer Bedarfsanalyse. Im Falle Ihres privaten Hauses schauen wir uns an, wie und mit wie vielen Menschen Sie wohnen. Wir müssen wissen, welche Eigenschaften, welche Persönlichkeit und welche Gewohnheiten Sie haben. Dasselbe gilt natürlich auch für den Projektbau im Bereich Hotellerie, Gastronomie oder Büro. Oder auch für ein Krankenhaus.

GROHE: Wir sprechen von den Bedürfnissen der Menschen. Wie haben sich diese im Bereich Innenarchitektur in den letzten Jahren verändert?

Olaf Kitzig: Es sind mehrere Entwicklungen, die Einfluss auf die Innenarchitektur nehmen. Ein großes Thema ist die Vereinsamung in der Gesellschaft. Mit Vereinsamung meine ich nicht, dass wir keinen familiären Bezug mehr zu unserer Generation davor haben. Ich bin bei meiner Großmutter großgeworden, sie wurde 1912 geboren, ich 1971. Da war Ärger vorprogrammiert, aber auch unendlich viel Lernen von einem Menschen, der schon sehr lange auf dieser Welt war.

Heute haben wir kaum noch Generationswohnen. Es gibt natürlich Wohnkomplexe, in denen man im Generationenhaus wohnt, aber das Gros der Massen wohnt allein. Single Haushalte steigen exorbitant. Das bedeutet, man hat zwar sein soziales Umfeld, aber es ist ein anderes soziales Umfeld. Für das Wohnen bedeutet es, dass ich mich einrichte, wie ich bin, ohne dass ich den Einfluss einer anderen Person berücksichtigen muss. Wenn ich viel Zeit allein verbringe, möchte ich es kuscheliger haben, als wenn ich mit anderen Menschen zusammenlebe. Das nächste Thema ist Angst. Ich habe zwei Söhne, einer ist acht und einer vierzehn. Meine Kinder gehören zu den Kindern, die Fernsehen schauen dürfen, allerdings überprüfe ich vorher alles und beobachte damit, was sie sich anschauen. Ein Tabu Thema sind jegliche Art von Informationssendungen über Konflikte in anderen Ländern, über Kriege und Bürgerkriege, über den Klimawandel und andere Religionen. Überall gibt es so viel Aggressionsherde, die Angst schaffen. Diese Angst wird das Wohnen und das räumliche Umfeld verändern. Während in den 80er Jahren häufig eine eher kalte und maskuline Einrichtung vorherrschte, bevorzugt man heute ein leicht abgedimmtes Licht, ein kuscheliges Sofa und schöne warme Farben, um sich damit eine Art eigenen Realismus zu schaffen. Ich schalte den Fernseher aus, schaue in meine Welt und sehe, dass diese Welt nett und farbenfroh ist. Ein weiteres Thema ist das zunehmende Ego der Menschen und der in Teilen sogar schwindende Kollektivgedanke. Das schafft meiner Meinung nach auch Veränderung in der Innenarchitektur. Dieses „ich bin“, „ich kann“, „ich bin das Zentrum“, „ich bin das Wichtigste in meiner Welt“, „ich bin Work-Life-Balance“ verändert auch unser Umfeld in der architektonischen Art und schafft dadurch einen Pool an Kreativität. Das bedeutet, ich habe verschiedene Stile – ob das Shabby Chic oder die coole Avantgarde ist. Sie zusammen schaffen wiederum ein ganzes und bunter gewordenes Bild. Ein weiteres, die Innenarchitektur beeinflussendes Thema ist die Globalisierung der Architektur. Durch die Digitalisierung haben alle Zugang zu denselben Informationen und Bildern. Wenn Sie bei Google beispielsweise „rotes Sofa“, eingeben, dann sehen Sie vermutlich überall auf der Welt dasselbe Sofa, ob Sie nun in New York, Tel Aviv oder in Lippstadt sitzen. Das schöne an unserem Beruf ist, dass wir Menschen mitbegleiten dürfen und sie an neue Dinge heranführen können. Ich denke an einen Privatkunden, dem ich vor vielen Jahren einen Küchenblock schmackhaft machte, an dem man zuschauen kann, wie der andere kocht. Was zunächst einiger Überzeugungsarbeit bedurfte, stößt heute auf Begeisterung, denn wir richten ihm derzeit sein zweites Ferienhaus mit einen Küchenblock ein.

GROHE: Die Hotellerie ist besonders von der Krise betroffen. Wie schätzen Sie die Entwicklung dieser Bautypologie mittel- und langfristig ein? Wird es womöglich mehr kleinere Häuser statt der Großhotels geben?

Olaf Kitzig: Ich bin mir sicher, dass alle Konzepte in der Hotellerie oder in anderen durch uns gestalteten Bereiche, die mit Herz und Seele gemacht werden, auch weiterhin eine Berechtigung haben und existieren werden. Wichtig ist, dass es authentische Konzepte sind, die mit Leben gefüllt sind und den Gast in den Mittelpunkt stellen. Mittlerweile gibt es sehr viele, hochgradig individualisierte Hotelkonzepte, selbst in der Kettenhotellerie. Der Neubau wird voraussichtlich zukünftig ein wenig stärker beäugt werden, weil die Frage der Finanzierung aufkommt. Ich glaube allerdings nicht, dass es einen Stopp in der Renovierung und Modernisierung von Bestandsgebäuden geben wird, hier wird es irgendwann wieder richtig an Fahrt zunehmen, da wir in diesem Bereich noch wirklich sehr viel Bedarf haben. Was die Größe der Hotels anbetrifft, müssen wir zwischen der touristischen und der Business Hotellerie unterscheiden. Ein Hotel muss immer einen wirtschaftlichen Background haben, man braucht einen bestimmten Umsatz und eine bestimmte Größe, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Von daher denke ich, werden wir nach wie vor kleine und große Hotels haben. Ich glaube allerdings, dass das Herzblut im Konzept ein wesentlicher Bestandteil sein wird. Als Gast möchte ich immer das Gefühl haben – sei es in einem kleineren oder großen Hotel –, dass sich jemand Gedanken darüber gemacht hat, wie ich die Tage oder die Woche Urlaub in diesem Haus verlebe. Ein Hotel muss Spaß machen und bestmöglich neue Horizonte eröffnen. Ein zu beobachtender Trend ist: Während die Hotellerie jahrelang der Privateinrichtung hinterherlief, haben wir mittlerweile den Umkehrschluss. Heute ist es so, dass das Hotel im besten Falle eine Richtlinie darstellt und die Gäste auch zu Hause so leben möchten. Der Kunde wird lieblose, nicht detaillierte und nicht mit der Zeit gehende Hotels automatisch aussortieren und sie nicht mehr buchen. Selbst im unteren Segment der Hotellerie sind wir ja heute stylisch unterwegs. Ich vermute, dass der Wettbewerb noch härter wird, als er sowieso schon war. Darin liegen aber meiner Meinung nach sehr viel Möglichkeiten und Chancen.

GROHE: Die Hotellerie hat sich bislang mit den Themen Gesundheit und Wellness, Office, Retail und – durch die Longstay Hotels – auch mit dem Wohnen vernetzt. Wird es noch weitere Ansätze mit neuen Funktionen geben?

Olaf Kitzig: Ich gehe stark davon aus. Wir befinden uns in einer permanenten Entwicklung und einem permanenten Wachstum und in einem immer wieder neu erfindenden Zyklus. Die Hotellerie ist für mich einer der Bereiche, der sich sehr intensiv verändert hat. Sie haben heute einen Spa, Sie haben Office Bereiche – Co-Working ist ein großes Thema – und auch Retail wird immer interessanter. Ich schlug einem Kunden vor einigen Jahren vor, im Bereich der Lobby mit einem Textil Damenoberbekleidungskonzept und einem Blumenladen zu kooperieren. Er hat mich fast rausgeworfen. Heute ist der multifunktionale Ansatz gefragter denn je. Der Gedanke, dass ich in einem Hotel Casual Dining habe, dass ich eine Kitchenette im Zimmer vorfinde und mich selbst verpflegen kann, dass ich meine Jeanshose selber wasche oder zum Wäscheservice gebe, dass ich mir meine Haare schneiden lassen kann und mir eine Anwendung gönne oder die Sauna besuche, dieses Package drum herum wird immer stärker wachsen. Ich glaube, dass die Individualisierung der Bedürfnisse noch stärker Einzug in die Hotellerie hält.

GROHE: Wie beurteilen Sie die deutsche Hotellerie im internationalen Vergleich?

Olaf Kitzig: Wir haben mit meinem Unternehmen in ungefähr 30 Ländern gebaut. Wenn man Hotels international vergleicht, muss man natürlich das unterschiedliche Klima, die unterschiedliche Umgebung, die anderen Menschen und den anderen Lifestyle berücksichtigen. Wenn ich beispielsweise in einer gechillten Atmosphäre in einem Hotel in Miami Beach sitze, dann wird es mir schwerfallen, etwas Vergleichbares hier bei uns zu finden, weil wir eben den Beach beispielsweise nicht haben. Wir in Deutschland haben in der Hotellerie eher eine lokale Architektur, sie hat sicher noch ein Nachholpotenzial, aber mittlerweile gibt es sehr, sehr viel, sehr schöne Beispiele für liebevolle Hotelbetriebe, sowohl in der Familien- wie auch in der Kettenhotellerie. Ich finde, die deutsche Hotellerie ist wesentlich innovativer geworden, weil der Markt auch stärker umkämpft ist. Da ausländische Hotelketten sich den Markt in Deutschland zu Eigen gemacht und permanent Hotels gebaut haben, ist der Druck gewachsen und hat meiner Meinung nach tolle Brands hervorgebracht. Deutschland baut aus meiner Sicht nach wie vor mit dem höchsten Standard an Architektur, Innenarchitektur und an Handwerk. Die schlecht gestrichene Wand Ihres Balkons im Hotel in Tel Aviv nehmen Sie nicht so ernst, mit einer schlecht gestrichenen Wand möchten Sie in München aber nicht leben. In Tel Aviv gehört es zum Lifestyle, zum Laissez-faire. Wenn ich mich in einem schönen Hotel in Rom aufhalte, wo die Fassade ein wenig schröppelig und ein bisschen old ist, dann finde ich das cool, weil das der Style und das Feeling der Stadt ist. Wenn ich vor einer historischen Fassade in Hamburg oder in München stehe, dann möchte ich das gefälligst gescheit sauber haben.

GROHE: Sie sind mit dem Schloss Roxburghe für den deutschen Design Award 2021 nominiert. Was zeichnet dieses Projekt aus?

Olaf Kitzig: Schloss Roxburghe von 12.18. Investment Management – ungefähr eine Stunde von Edinburgh entfernt – befindet sich in einem historisch gelisteten Gebäude. Das alte Herrenhaus bekommt im 2. Bauabschnitt jetzt noch einen Anbau mit nochmals 60 Zimmern dazu. Das Hotel ist von uns mit unglaublich viel Liebe zum Detail entworfen worden. Wir haben beispielsweise 67 verschiedene Stoffe bei 25 Zimmern eingesetzt. Das Interior besticht durch einen Mix aus Historie und Moderne. Ich habe mich sehr über die Nominierung gefreut, es ist für uns ein besonders spannendes Projekt und hat irre viel Spaß gemacht.

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GROHE DIGITAL
Ausgabe 10/2020
Ort Porta Westfalica, Deutschland
Verlag https://www.grohe.de/