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Falscher SCHEIN

Eine unglückliche Beleuchtung kann die schönste Einrichtung ruinieren. Ein Experte erklärt die schlimmsten Lichtsünden.

Manchmal, wenn es draußen schon dunkel und er noch unterwegs ist, lässt Olaf Kitzig den Blick über die Fassaden schweifen. „Was man da sieht, kann ganz schön traurig machen“, sagt der 49- Jährige, und meint das keineswegs überheblich. Der Gründer des Unternehmens Kitzig Design Studios wirkt ehrlich betroffen, wenn er beschreibt, wie gleißend kaltes Licht erbarmungslos auf weiße Wände strahlt oder penetrant blinkende Lichternetze gute Laune verbreiten sollen. Gemütlich geht anders.


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Das überrascht angesichts der in diesem Jahr so rasant gewachsenen Bedeutung des eigenen Zuhauses für Menschen, die wegen des Lockdowns überall vor verschlossenen Türen stehen, ihren Arbeitsplatz nach Hause verlegen müssen und für Einrichtung so viel ausgeben wie lange nicht: Der Verband der Deutschen Möbelindustrie meldet jedenfalls nach einem Einbruch zu Beginn der Pandemie im zweiten und dritten Quartal steigende Umsätze — um fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Was nicht in Mode oder Reisen investiert wird, wandert an den Ort, an dem man die meiste Zeit verbringt.

Natürliche Materialien (oder solche, die so aussehen) sind besonders gefragt. In der Ecke Körbe aus Seegras, an den Wänden Makramees und das Comeback von Rattan geht in die 234. Runde. Wenn keiner weiß, ob, wann und wenn ja, für wie lange die Welt wieder normal wird, soll Behaglichkeit her. Und die will buchstäblich ins rechte Licht gerückt werden. Aber nicht ins grellweiß blendende.

„Ein gelungenes Innendesign kann durch das falsche Licht komplett ruiniert werden“, so Kitzig, der auch Privathäuser gestaltet. Die Wahrscheinlichkeit, dass man schon einmal in einem von ihm gestalteten Ort war, ist hoch: Er ist für Interieur und Ausstattung von Hotelketten wie Hilton, Marriott und Me And All verantwortlich, designt Flughafenlounges und Restaurants rund um die Welt. Beleuchtung sei eine regionale und höchst subjektive Angelegenheit, so Kitzig, der sein Unternehmen vor über 20 Jahren in Lippstadt gründete und heute Büros in München, Düsseldorf und Bochum hat.

Richtig und falsch, das sind schwierige Kategorien, wenn man wie er eigentlich nicht viel von starren Regeln und Beleuchtungsrastern hält. Aber für den Ästheten Kitzig, der auch selbst Möbel, Stoffe und Bekleidung für Angestellte der von ihm gestalteten Hotels designt, gibt es dann doch einige stilistische — und nicht verhandelbare — Tabus in Sachen Licht:

1. BUNTE LICHTERKETTEN
„Farbige Leuchtmittel sind eine Kunst für sich und im privaten Bereich mit ganz großer Vorsicht einzusetzen“, findet Kitzig. Denn: Sie reflektieren, überstrahlen andere Lichtquellen und sorgen vor allem für Unruhe — besonders, wenn sie auch noch mehr oder minder rhythmisch blinken. Dennoch funkelt es so knallbunt in Fenstern und Vorgärten, dass es fast trotzig anmutet. Weihnachten fiel kleiner aus, an Silvester blieb der Himmel düster, also soll es zu Hause im Alltag möglichst farbenfroh sein. Keine gute Idee, findet der Designer. Die warmweiße Lichterkette als Imitation der Kerze sei eine christliche Tradition, bunte Lichterketten hingegen seien einfach nur: bunt. „Da wird einfach alles gemacht, was technisch möglich ist. Und Technik erleichtert Geschmacklosigkeit.“

2. LUMIBÄR & CO
Bunt ist auch ein Klassiker, der es nie in ein Kitzig-Design schaffen dürfte: Den in den 90ern populär gewordenen Lumibären samt all seiner Kopien und Variationen, etwa Leuchtwürfel, bezeichnet Kitzig als „in Plastik gegossene Todsünde“. Leuchtwürfel, vor allem für Gärten, Terrassen und Balkone beliebt, ließen sich durch versteckte Lichtspots ersetzen, die viel stimmungsvollere Effekte erzielten.

3. LAVALAMPE
Ein weiterer Klassiker auf der schwarzen Liste des Designers ist die Lavalampe. „Sie hatte ihre Zeit — und schon damals ziemlich wenig Nutzen als tatsächliche Lampe.“ Der praktische Nutzen des raketenförmigen Modells mit der wabernden, undefinierbaren Materie darin bleibt tatsächlich — Achtung, Wortspiel — im Dunklen.

4. NEONRÖHREN
In deutschen Wohnküchen dominieren zwei Extreme: schummriges Licht aus tief hängenden Pendelleuchten und gleißend blendende Neonröhren. Letztere haben für Olaf Kitzig in keinem Zuhause etwas verloren: „Kalt, ungemütlich, fahl, schlimm“, so das Designer—Urteil. Wer nicht auf helles Licht verzichten will, solle auf indirekte Beleuchtung setzen und zum Beispiel LED-Streifen so anbringen, dass man nicht direkt in sie schauen muss, etwa hinter einer Verkleidung an Hängeschränken.

5. ENERGIEFRESSER UND BILLIGWARE
„Kein Mensch braucht heute noch Leuchtmittel mit 100 Watt“, ist Kitzig überzeugt. Diese noch immer zu verwenden, findet er ignorant. Dass es auch anders geht, beweist er selbst: Die Außenbeleuchtung seines Lippstädter Firmensitzes habe früher fast 2.500 Watt benötigt, heute sind es gerade mal 50 Watt. Und dass eine Lampe mit Hand geflochtenem Rattanschirm für zehn Euro nicht unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt worden sein kann, sei eigentlich auch klar.

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Welt am Sonntag
Ausgabe 17.01.2021
Von Guido M. Hartmann
Ort Berlin
Verlag https://www.welt.de/weltamsonntag/