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Im Land der Gestalter
Mit Umsätzen von 6,8 Milliarden Euro gehören die Designer zu den erfolgreichsten Teilbranchen der Kreativwirtschaft in NRW. Ein Blick hinter die Kulissen
Der erste Auftrag für Markus Schwitze in Düsseldorf war 2010 die Entwicklung eines neuen Ladenkonzeptes für die Beauty-Kette Douglas am Firmensitz Hagen. Dazu engagierte der Diplom-Designer eine Gruppe von Graffiti-Sprayern, die den Laden bemalen sollten. „Die wurden dann von Nachbarn für illegale Sprayer gehalten und noch in der Nacht von der Polizei in Gewahrsam genommen“, erinnert sich der 44-jährige Pfälzer, der in Köln an der International School of Design studiert hat. Sie seien aber schnell wieder frei gekommen.
In einem ehemaligen Fabrikgebäude in Düsseldorf-Derendorf setzt die familiengeführte Schwitzke-Gruppe Design- und Architektur-Projekte im Handel um, in Dubai gibt es mittlerweile eine Niederlassung. „Ich bin visueller Unternehmensberater“, sagt Markus Schwitze, der vor 15 Jahren in die von seinen Onkeln Karl und Klaus Schwitzke gegründete Firma eintrat. Die hatten mit Konzepten für Handelsketten wie Esprit und Gerry Weber den Grundstein für die Firma mit heute 230 Mitarbeitern gelegt.
Ideen eine Form zu geben, das ist die klassische Aufgabe eines Designers. In NRW und vor allem im Rheinland finden Designer ein günstiges Umfeld mit zahlreichen potenziellen Kunden und Ausbildungsstätten. Nicht nur Industrie und Dienstleister, auch Werbeagenturen, Musiklabels, Verlage, Spiele-Produzenten und auch Bühnen- und Filmproduktionen brauchen Designer, um ihre Ideen zu realisieren. Mit 6,8 Milliarden Euro Umsatz in 2018 gehört die Designwirtschaft laut Wirtschaftsministerium zu den erfolgreichsten Teilbranchen der Kreativwirtschaft. In 13.100 Firmen wurden demnach 46.700 Menschen beschäftigt, das war ein Plus von vier Prozent gegenüber dem Jahr 2015.
„Wir finden hier gute Leute in NRW, ich muss dazu nicht nach Berlin gehen“, sagt Markus Schwitzke. Aus den Fachhochschulen Düsseldorf und Köln kämen gut geschulte Designer, die Essener Folkwang Universität der Künste ist ebenfalls eine traditionsreiche Ausbildungsstätte für angewandte Gestaltung. Bei Schwitzke sind aber auch Fachkräfte aus Süd- und Osteuropa im Einsatz. „Düsseldorf galt ja lange als Stadt der Werbeagenturen und des Mode-Business“, sagt Schwitzke. Heute biete Düsseldorf viel Potenzial für eine neue Positionierung als Design City. Auch Köln versucht sich als Kunst- und Designstadt zu positionieren, während Essen mit seinem Red-Dot-Award für Design und einem Design-Center auf der Zeche Zollverein Ähnliches probiert.
Dass NRW für Designer ein guter Standort ist, glaubt auch Reiner Wallbaum, Inhaber der Agentur Elbe Eichhorn. Der Niedersachse kam zum Studium des Industriedesigns an die damalige Folkwang-Schule in Essen und machte sich später in Düsseldorf selbstständig.
„Viele denken, Produktdesigner müssen nur kreativ sein“, sagt Wallbaum. „Wir brauchen aber auch großes technisches Verständnis — und ein Auge für das Schöne.“ Der 54-Jährige hat als Ideengeber das „Handbuch für Technisches Produktdesign“ mit herausgebracht, das eine Grundlage für Designer und Ingenieure geworden ist.
In 30 Jahren hat der Wahl-Düsseldorfer auch für große Firmen wie Vileda, Kaldewei, Pelikan und Otis Produkte entwickelt. Beispielsweise eine Feder für ein Lattenrost. Zunächst bestand die aus mehreren Teilen, die im Werk montiert werden mussten. Nach dem neuen Entwurf von Wallbaum und Partnern besteht die Feder nur noch aus zwei Teilen, so spart die Firma Produktions- und Montagekosten. Beim bekannten Vileda-Wischmopp wurde durch Wallbaum das Funktions- und Wirkungsprinzip vom Pressen zum Wringen verändert. So kann der Hersteller Kosten und der Nutzer beim Auswringen des Mopps Kraft einsparen. Oder ein erst 2018 eingeführtes medizintechnisches Handgerät, mit dem die Länge eines Kunststoffschlauches gemessen wird. Das Gerät sollte leicht zu bedienen sein und Fehlbedienungen möglichst ausschließen. „Unser Design orientiert sich an einem Maßband“, erläutert Wallbaum. „Daher wählten wir eine kreisrunde Form, die sich aus Ringen aus verschiedenen Materialien zusammensetzt.“ Der Anwender beginne nun intuitiv damit, die Ringe gegeneinander zu verdrehen. Das Ergebnis könne dann auf einer Skala abgemessen werden. Die massiven und schweren Werkstoffe unterstrichen die Wertigkeit des Produktes und weckten beim Anwender Vertrauen in die Funktion, so Wallbaum.
Doch was hat sich in 30 Jahren Design verändert, wohin geht die Entwicklung? Das sei sehr unterschiedlich, sagt Rainer Wallbaum. Viele arbeiteten wie er in Designbüros, die ihre Aufträge von Firmen erhalten oder auch selbst mit Ideen an die Kunden herantreten. Die Größe der Büros variiert: von der Ich-AG über Zwei-bis-Zehn-Mann-Betriebe bis hin zu großen Agenturen mit 50 und mehr Mitarbeitern. Andere Produktdesigner sitzen direkt in den Entwicklungsabteilungen von Unternehmen. „Wir sind Generalisten mit viel Grundlagenwissen“, sagt Wallbaum. „Und wir benötigen ein Gespür für die Bedürfnisse des späteren Nutzers. In unserer schnelllebigen Welt wird es noch manches zu entwickeln geben.“
Auch Olaf Kitzig, der Interieurs für Hotels, Restaurants und Geschäfte entwirft, hat seit einem Jahr ein Büro in Düsseldorf. Vor 21 Jahren hatte er in seiner Heimatstadt Lippstadt ein erstes Büro eröffnet, mittlerweile hat er rund 60 Architekten, Grafiker und Designer unter Vertrag. „Wir gehören mittlerweile zu den fünf größten europäischen Büros für Interior Design“, sagt Kitzig. Der gelernte Restaurateur und Vergolder hat auch den Umbau des Schlosshotels Fleesensee an der Mecklenburgischen Seenplatte begleitet. Dessen Restaurant „Blüchers“ wurde im März zu Deutschlands schönstem Restaurant 2019 gewählt. Die Jury aus Vertretern der Gastronomie- und Interiorszene hatten offenbar Materialien wie Leder und Naturstein und riesige, skulpturartig in die Raummitte platzierte Stehleuchten beeindruckt.
Vor einem Jahr hat Kitzig auch eine Hotelanlage auf der Insel Ibiza fertiggestellt. Auftraggeber war ein Düsseldorfer Investor, der auch andere Projekte durch die Lippstädter begleiten lässt. „Das ist auch mit ein Grund, warum wir hier in Düsseldorf eine Niederlassung eröffnet haben“, sagt Olaf Kitzig.
Welt am Sonntag
Ausgabe 8.12.2019
Von Guido M. Hartmann
Ort Berlin
Verlag https://www.welt.de/weltamsonntag/